Wie man ohne Programmierkenntnisse in die Gaming-Szene einsteigt – ein Erfahrungsbericht.
In fremde Welten einsteigen – die Möglichkeit bieten Computerspiele. So fühlte es sich für mich an, als ich kürzlich beim Global Game Jam teilnahm. Bei diesem Event des Vereins IFgameSH entwickeln Teams an einem Wochenende Computerspiele. Aus bekannten Gründen fand alles online statt, ohne dass man sich persönlich traf. Mal sehen, was mich erwartet.
Obwohl ich zu Beginn erwähne, dass ich nicht programmieren kann, finde ich ein Team. Unter uns sind zwei Programmierer, zwei Illustratorinnen, zwei Musiker und ich, ein Journalist, der Texte schreiben und Videos produzieren kann: Jan, Mark, Inke, Julia, Jonas, Joshua und Sven.
„Vielleicht kann ich mich einbringen, indem ich Filme drehe?“ Den Vorschlag finden die anderen gut. Nach einem kreativen Brainstorming finden wir eine Spielidee. Eine Figur soll umherlaufen und Erinnerungen aus der Kindheit finden, erst in einer Stadt, dann in einem Wald und schließlich am Meer.
Wir verteilen Aufgaben und legen los. Mark gestaltet mit einem Programm eine 3D-Welt mit Häusern, Autos, Bäumen und Sand. Inke und Julia zeichnen Kindheitserinnerungen: Kreidemalerei, Murmelspiel, Sandburg. Jonas und Joshua komponieren Musik. Ich fahre los, um Videoaufnahmen zu machen. Wer hätte gedacht, dass ich während meines ersten Game Jams einen Ausflug ans Meer mache?
Große Beteiligung
Insgesamt sind 112 Teilnehmende aus Schleswig-Holstein aktiv. Es ist der größte Game Jam in Deutschland. Das erfreut Sascha Reinhold vom Organisationsteam. „Gaming wurde lange Zeit als ein Hobby von Nerds angesehen, aber mittlerweile ist es gesellschaftlich weit verbreitet.“ Außerdem sei es schon lange keine Männerdomäne mehr, wie auch die Teilnehmerin Luisa Höhne erklärt. „Tatsächlich spielen sehr viele Frauen und nicht-binäre Menschen sehr gerne Videospiele.“ Sie vermutet sogar, dass das Verhältnis ausgeglichen sei. Die großen Gamestudios seien zwar immer noch recht männerdominiert, aber gerade, wenn man in den Indie-Bereich schaut, sehe es viel diverser aus.
Auch beim Game Jam Schleswig-Holstein. „Es ist eine bunte Community“, meint Sascha Reinhold. Auch die Stimmung ist gut, was vielleicht daran liegen mag, dass die Game-Branche im Vergleich zu anderen kreativen Wirtschaftszweigen gut durch die Corona-Krise kommt.
Während Kinos, Theater und Konzertsäle schließen mussten, erlebten die Spieleentwickler im Jahr 2020 ein Rekordjahr. Weltweit wurden 175 Milliarden Euro umgesetzt. Mit Spielen wird auch in normalen Zeiten inzwischen mehr verdient als mit Filmen oder Musik. „Es war abzusehen, dass das so kommt“, sagt Reinhold. Wenn persönliche Treffen nicht mehr erlaubt sind, sind Multiplayer-Computerspiele eine gute Möglichkeit, um Kontakte zu haben. Das Bedürfnis sei groß, so Reinhold, und Spiele seien ein soziales Medium.
Bei allem Spaß, den das Spielen macht, darf die Schattenseite nicht übersehen werden. Die Weltgesundheitsorganisation hat Computerspielsucht offiziell als Krankheit anerkannt. Auch finanziell können Spiele problematisch sein, wenn zu viel Geld für sogenannte In-Game-Käufe ausgegeben wird. Kostenpflichtige Extras wird es in unserem Spiel nicht geben, dafür aber viele Erinnerungen, die man aufheben und angucken können soll.
Jan, einer unserer Programmierer im Team, verteilt sie gerade auf unserer Karte, indem er einen Code schreibt. Wie er das genau macht, kapiere ich nicht. Auch das, was er im Sprachchat dazu sagt, verstehe ich kaum. Und das liegt nicht an seiner schlechten Internetverbindung, wegen der er ab und zu nur abgehackt zu hören ist. Weil er aber immer wieder euphorisch meint, dass werde super, bin ich beruhigt.
Neues ausprobieren
Alle sind beschäftigt. Mark gestaltet noch schnell ein Eis aus 3D-Elementen, Inke zeichnet einen Fußball, Julia einen Startbildschirm, Joshua spielt Musik ein und Jonas fügt Geräusche ein. Meine Videosequenzen sind fertig und wir stellen fest, dass sie gut in das Spiel hineinpassen. Irgendwie mal was anderes in einer Welt, die sonst meist aus Pixeln besteht.
Dann ein kurzer Ausraster von Jan. „Ich bin zu dumm für dieses Programm!“ Er meint, er habe eine halbe Stunde lang falsche Dinge programmiert, ist jedoch schnell wieder guter Dinge. Denn das gehört zu einem Game Jam dazu. Es geht darum, auch mal was Neues auszuprobieren. Genau deswegen motiviert mich der Hinweis von Mark, dass die Videos mehr wie eine Traumsequenz aussehen sollten, hier noch einmal Zeit zu investieren und nachzubessern. Ich recherchiere im Internet, wie man mit Unschärfen einen traumhaften Eindruck erwecken kann. Und siehe da: Es wirkt viel besser.
Später kommt eine weitere Fehlermeldung von Jan: Er meint, er habe die Erdanziehung aus Versehen entfernt. „Jetzt fliegt unsere Figur!“ Mein Kommentar dazu: „Das ist doch auch traumhaft.“ Jan repariert das jedoch wieder und dann ist unser Spiel fertig und die Zeit um.
24 Computerspiele sind entwickelt. Alle Teams präsentieren sie nacheinander im Videochat. Danach können alle Teilnehmenden die Ergebnisse selbst testen und bis in die Nacht hinein spielen. Fremd ist hier nichts mehr.
Das Spiel „Where we remember“ und die anderen Games sind hier zu finden: globalgamejam.org
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