Die Europäische Union gibt sich einen neuen rechtlichen Rahmen für den Datenschutz der nächsten Jahrzehnte. In einer Zeit, in der Daten als der Rohstoff der Zukunft gelten, werden hier natürlich auch die Claims abgesteckt. Starke wirtschaftliche Interessen aus aller Welt drängen auf die EU ein. Das Kommunale Kino in Kiel hat am vergangenen Freitag mit „Democracy – Im Rausch der Daten“ einen Dokumentarfilm gezeigt, der einen spannenden Blick hinter die Kulissen der Verhandlungen gewehrt.
Zur anschließenden Diskussion war der Grüne Europa-Abgeordnete Jan Philipp Albrecht nach Kiel gekommen. Er ist die zentrale Person in dem Film: Er ist der „Berichterstatter“ des Europäischen Parlaments für die Datenschutzgrundverordnung. Das Parlament hat ihn beauftragt, diese Verordnung auszuhandeln. Er sitzt damit zwischen allen Stühlen: Er muss eine Verordnung erarbeiten, die sowohl im Parlament eine Mehrheit bekommt, als auch von den Mitgliedsstaaten beschlossen wird – EU-Verordnungen gelten sofort in allen Mitgliedsländern. Außerdem sollte er bestenfalls auf dem Weg nicht seine eigenen Ideale aufgeben.
Unendlich oft muss Jan Philipp Albrecht sich mit der vor der letzten Wahl zuständigen Bürgerrechtskommissarin Viviane Reding, mit Lobbyisten jeglicher Coleur, seinen Fraktionskollegen und den zuständigen Repräsentanten der anderen Fraktionen treffen.
Regisseur David Bernet zeigt auch die Arbeit von Lobbyisten von Wirtschaft wie Zivilgesellschaft. Das ist überraschenderweise gar keine schwarze Magie – es gehört dazu. Natürlich müssen sich die Abgeordneten alle Seiten anhören – woher sollen sie ihre Informationen auch sonst bekommen als von denen, die die Verordnung betrifft? Problematisch ist vor allem, dass es natürlich Konzernen finanziell leichter fällt als Bürgerrechtsgruppen, jemanden nach Brüssel oder Straßburg zu schicken.
Nachdem die Verordnung eine Zeit lang ein wenig stecken geblieben war, haben die Enthüllungen von Edward Snowden wieder neue Bewegung gebracht – das EU-Parlament war immerhin das erste, das einen Untersuchungsausschuss zur Überwachung ihrer Bürgerinnen und Bürger eingesetzt hat. Am Ende des jahrelangen Prozesses steht jetzt eine Datenschutzverordnung, die bei allen Kompromissen immer noch Maßstäbe setzt – Jan Philipp Albrecht kann gut mit dem Ergebnis leben, wie er im Anschluss an den Film deutlich machte.
Viele Fragen in der Diskussion drehten sich um Art und Umfang des Lobbyismus. Jan Philipp Albrecht macht dabei klar, dass es natürlich in der Hand der Abgeordneten liegt, wie sehr sie sich darauf einlassen und wie sehr sie darauf achten, die unterschiedlichen Seiten zu hören. Lobbyisten aber vollkommen aus dem Parlament auszusperren ginge nur, wenn das Parlament kein offener, gesellschaftlicher Ort mehr sei – das könne auch nicht das Ziel sein.
Jan Philipp Albrecht verwies auch auf die Möglichkeiten für die europäische Wirtschaft, die die neuen Datenschutzregeln bieten. Start-Ups könnten die Chance nutzen. Sie könnten zum Beispiel Cloud-Dienste anbieten, die die Privatsphäre der Menschen respektierten, statt sie zu Produkten zu machen – Musik in den Ohren von Torben Haase, der mit Flowy Apps genau das macht.
Der Film ist leider nur an diesem Abend im Kommunalen Kino gelaufen. Wer ihn sehen möchte, könnte ihn zurzeit in Flensburg sehen, oder ihn in einer Schule zeigen.
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